Vollbremsung in Laos

Schafflund, den 05. 01. 2021

Als Christopher Fritze aus Schafflund vor etwa anderthalb Jahren seine Fahrrad-Weltreise startete, wollte er sich nicht auf eine konkrete Reiseroute festlegen. „Ich will mich treiben lassen“, sagte er damals. Aber er hatte einen groben Plan vor Augen, der ihn durch zahlreiche Länder bis in den Iran führte. Zwei Monate verbrachte er dort, erlebte „die beste Gastfreundschaft, die man sich denken kann“ und blieb über Weihnachten (wir berichteten). Danach ging es auf dem Drahtesel weiter Richtung Südostasien über Vietnam bis nach Laos – aber dort musste er im Frühling nach 18 durchquerten Ländern eine Vollbremsung hinlegen. Unfreiwillig. Wegen der Corona-Pandemie schloss Laos sämtliche Außengrenzen für jeglichen touristischen Verkehr. Bis heute – neun Monate danach. „Nach dreieinhalb Monaten in Luang Prabang kannte ich die gesamte Nachbarschaft, und jeder auf den Märkten wusste, was ich wollte“, erzählt Christopher Fritze. Da sei ihm irgendwann die Decke auf den Kopf gefallen, sodass er seine Sachen gepackt und in den Norden geradelt sei. „Die Landschaft ist fantastisch, bergig und herausfordernd für einen Radfahrer“, schwärmt der 36-Jährige. „Ich habe die außergewöhnliche Gelegenheit, das Land in seiner ursprünglichsten Art und Weise kennenzulernen.“ Als zurzeit einziger ausländischer Tourist werde er oft von den Einheimischen zum Essen eingeladen – und zum Trinken. Es sei unhöflich, dies abzulehnen, aber „die Laoten können richtig was vertragen, da kommt ein Bier nach dem anderen auf den Tisch und selbstgebrannter Schnaps.“ Neben vielen Zeichen der Gastfreundschaft und einer Einladung zu einer Hochzeit gab es ein besonderes Highlight: Eine Tour am Nam Ou-Fluss entlang. „Mit Booten kam ich bis zur Stadt Mung Khwa. Von dort ging es stundenlang nur durch den Dschungel, superschön“, erinnert er sich. In den kleinen Dörfern leben die Menschen von Fischfang, Gemüseanbau und Viehzucht. „Die Kinder spielten am Ufer, die Frauen webten auf einfachen Webstühlen und die Männer hackten Holz oder bauten an ihren Häusern“, so habe er dieses einfache, traditionelle Leben erlebt. Die Begegnungen mit den Menschen sind für Fritze das Wichtigste auf seiner Weltreise, und weil in den entlegensten Ecken niemand auch nur ansatzweise Englisch versteht, hat er sich inzwischen Sprachkenntnisse angeeignet: „Sie sind nur grundlegend, aber es reicht zum Überleben. Ich versuche permanent, Neues dazuzulernen.“ Während seines neunmonatigen Aufenthalts konnte er nicht nur die überwältigende Natur in Laos intensiv erleben, sondern wurde auch Zeuge kultureller Höhepunkte wie das Lichterfest am Ende der Regen- und Fastenzeit. „Die ganze Stadt war geschmückt und eine Parade mit Festwagen bewegte sich durch die Straßen“, erzählt er, aber am beeindruckendsten seien die unzähligen Kerzen gewesen, die als Lichter auf dem Mekong trieben, „das sah schon echt toll aus.“ Im buddhistisch geprägten Laos sind die Mönche besonders in der historischen Hauptstadt Luang Prabang mit ihren vielen Tempeln präsent. „Jeden Morgen um vier Uhr dreißig pilgern sie durch ihren Stadtteil und gehen auf Almosentour“, hat Fritze beobachtet. „Die Einheimischen hocken dann am Straßenrand und geben ihnen Lebensmittel in die Töpfe.“ Den Ärmsten etwas zu geben – diesen Wunsch hat auch der Weltenbummler, der seine Reise mit einer Charity-Aktion verbindet. Für eine Schule in Darfur im Sudan möchte er 3000 Euro für die Ausstattung von Klassenzimmern sammeln. Ein Drittel hat er bereits zusammen, nun hofft er auf weitere Spenden und kommuniziert dies regelmäßig in den sozialen Netzwerken. Und da er wegen des Lockdowns viel Zeit hatte, produzierte er mehrere Videos seiner Weltreise-Stationen und veröffentlichte sie auf YouTube. Auf Facebook lässt er die Zuschauer auch an einem ganz gewöhnlichen Tagesablauf im Norden von Laos teilhaben: „Das entspricht wohl so in etwa dem Rentnerdasein in Deutschland.“ Aufstehen, duschen, zum Markt gehen, ein Gemüsesandwich essen, Nachrichten lesen und dann entscheiden, welche Tagestour unternommen wird: „Ich freue mich jeden Tag, weil ich weiß, dass ich irgendetwas Tolles erleben werde.“ Das Wetter spielt zurzeit mit: „Hier ist Winter, wir haben 25 bis 30 Grad, nur in der Nacht muss man sich beim Campen warm einpacken.“ Und wie geht es weiter? „Ich möchte jeden Kontinent erlebt und gespürt haben“, behält Christopher Fritze sein Ursprungsziel im Auge. Es gäbe die Möglichkeit, mit privat organisierten Charterflügen nach Afrika zu kommen, um die Weltreise dort fortzusetzen, aber das sei viel zu teuer. Noch reichen seine Ersparnisse, deshalb ist seine Devise: „Abwarten und Tee trinken.“ Offiziell gab es in Laos bisher 41 Coronafälle, doch sobald nur ein neuer Fall auftaucht, werden die Einheimischen nervös und die Öffnung der Grenzen verzögert sich. Doch Christopher Fritze nimmt alles gelassen hin: „Ich bin nicht traurig drum. Ich habe hier eine gute Zeit und die seltene Chance, das Land in seiner pursten Art und Weise zu erleben. Und bin gesund – was will man mehr?“

 

Quelle - SHZ Helga Böwadt

 

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